Montag, 26. Juli 2010
Donnerstag, 15. Juli 2010
Antwortschreiben an eine Versicherung
Diesen Text schrieb eine Versicherungsnehmerin an Ihre Versicherung.
Sie wurde aufgefordert, zu erklären, wie es dazu kommen konnte, das ein Sturmschaden an Ihrem Gartenzaun entstanden ist. Sie fühlte sich wohl etwas verarscht.
Sehr geehrte Damen und Herren
Sie fordern eine Begründung wie es dazu kam, das mein Zaun von einem Sturm zerstört worden ist. Nach anfänglicher Ratlosigkeit, was man da wohl schreiben soll, ich dennoch gezwungen bin zu antworten, um meine Pflichten als Versicherungsnehmerin nachzukommen, trage ich nun ordnungsgemäß vor:
"Die Sonne wärmt die Luft weltweit unterschiedlich. Wo sie senkrecht auf die Erde trifft (am Äquator), wärmt sie stärker als da, wo sie schräg auftrifft (Nord- und Südpol). Und über Land wärmt sie stärker als über dem Meer. Aufgewärmte Luft dehnt sich aus, der Luftdruck wird an diesen Stellen höher (man nennt das "Hochs").
An kühleren Stellen bleibt der Luftdruck niedrig ("Tiefs"). Die Luft versucht, diese Druckunterschiede wieder auszugleichen: Sie strömt von Gebieten mit hohem Luftdruck in Gebiete mit niedrigem Luftdruck- je größer die Druckunterschiede sind, um so schneller bewegt sich die Luft mit 6 Km/h, nennt man das Wind. Ab 75 Km/h nennt man diese Bewegung Sturm, ab 118 Km/h Orkan.
So schnell ist die Luft aber nur bei extremen Druckunterschieden. Ein solcher Druckunterschied lag am Schadenstag über Deutschland vor. Zur Unglückszeit passierte schnelle Luft den Großraum Hessen, wobei sie auch durch Asterode und an meinem Haus vorbeikam. Da mein Haus der schnellen Luft im Wege stand, sollte es weggepustet werden. Das jedoch ließ mein treuer Zaun nicht zu. Um das Haus zu schützen, hat sich mein armer Zaun mit aller Kraft gegen die schnelle Luft gestemmt. Es gelang ihm zunächst, sich und das Haus erfolgreich zu verteidigen, so das die schnelle Luft gezwungen war, den Weg durch das Nachbarhaus zu nehmen.
Als das große Dach des Nachbarhauses in einem Stück vorbei geflogen kam, was nur in sehr seltenen Fällen vorkommt, muß mein Zaun erschrocken oder zumindest kurz abgelenkt gewesen sein. Die schnelle Luft hat ihre Chance sofort genutzt und meinen treuen Zaun heimtückisch niedergedrückt. Der Held brach zusammen und starb noch am Boden liegend vor dem Haus, welches er jedoch immerhin erfolgreich beschützt hatte."
Das ist meiner Ansicht nach der Vorgang, so wie er sich real zugetragen hat. Es könnte jedoch auch weniger dramatisch gewesen sein und der Fall ist als ganz gewöhnlicher Sturmschaden zu behandeln, dem nichts hinzuzufügen ist, außer das an dem Tag in Asterode - wie in ganz Deutschland - Sturm war.
Sollte weiterer Vortrag notwendig sein, Zeugenaussagen begehrt oder Ihrer Ansicht nach eine Obduktion des Zaunes erforderlich sein, stehe ich gerne zur Verfügung.
Donnerstag, 1. Juli 2010
Offener Brief von Stephan Ueberbach
Diesen offenen Brief sendete ARD-Korrespondent Stephan Ueberbach an die
Bundeskanzlerin, als diese die neuesten Sparpläne mit dem Kommentar:
"Wir haben jahrelang über unser Verhältnisse gelebt" vorstellte.
Treffender geht's nicht mehr:
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Kommentar
Wer lebt denn hier über seine Verhältnisse?
Von Stephan Ueberbach, SWR, ARD-Hauptstadtstudio
wen meinen Sie eigentlich, wenn Sie sagen, wir hätten jahrelang über unsere Verhältnisse gelebt?
Ich jedenfalls habe das nämlich ganz sicher nicht getan. Ich gebe nur das Geld aus, das ich habe. Ich zahle Steuern, bin gesetzlich krankenversichert und sorge privat für das Alter vor. Ich habe mich durch Ihre Abwrackprämie nicht dazu verlocken lassen, einen überflüssigen Neuwagen zu kaufen, ich bin kein Hotelier und kein Milchbauer. Und "Freibier für alle" habe ich auch noch nie verlangt.
Wer war wirklich maßlos? Meinen Sie vielleicht die Arbeitslosen und Hartz IV-Bezieher, bei denen jetzt gekürzt werden soll? Meinen Sie die Zeit- und Leiharbeiter, die nicht wissen, wie lange sie ihren Job noch haben? Oder meinen Sie die Normalverdiener, denen immer weniger Netto vom Brutto übrigbleibt? Haben die etwa alle "über ihre Verhältnisse" gelebt?
Nein, maßlos waren und sind ganz andere: Zum Beispiel die Banken, die erst mit hochriskanten Geschäften Kasse machen, dann Milliarden in den Sand setzen, sich vom Steuerzahler retten lassen und nun einfach weiterzocken, als ob nichts gewesen wäre.
Weitere Beispiele gefällig?
Zum Beispiel ein beleidigter Bundespräsident, der es sich leisten kann, Knall auf Fall seinen Job einfach hinzuwerfen - sein Gehalt läuft ja bis zum Lebensende weiter, Dienstwagen, Büro und Sekretärin inklusive.
Zum Beispiel die Politik, die unfassbare (!) Schuldenberge aufhäuft und dann in Sonntagsreden über "Generationengerechtigkeit" schwadroniert. Die von millionenteuren Stadtschlössern träumt und zulässt, dass es in Schulen und Kindergärten reinregnet. Die in guten Zeiten Geld verpulvert und in der Krise dann den Gürtel plötzlich enger schnallen will, aber immer nur bei den anderen und nie bei sich selbst.
Liebe Frau Bundeskanzlerin, nicht die Menschen, sondern der Staat hat dank Ihrer tätigen Mithilfe möglicherweise über seine Verhältnisse gelebt. Ganz sicher aber wird er unter seinen Möglichkeiten regiert.
Mit - verhältnismäßig - freundlichen Grüßen,
Ihr Stephan Ueberbach.